Buncefield Tank Fire
11. Dezember 2005

 

WAS ist passiert? - Konsequenzen


Bei der Befüllung eines Tankes (Tank 912, Kapazität 6000 m3) mit Benzin über Pipelines (Start der Befüllung ab 18:50 h am 10.12.2005; Füllmenge ca. 550 m³/h bzw. ca. 300 t, kurz vor der ersten Explosion ca. 890 m³/h) wurde der Tank  über mehr als 40 Minuten unbemerkt stark überfüllt.
Eine Besonderheit bei der Befüllung war, dass mehrere Tanke gleichzeitig befüllt wurden und die Füllmenge zu Tank 912 außerhalb des Tanklagers gesteuert und kontrolliert wurde, ohne direkte
Informationen und Kommunikation über den Status des Tankes an die Mitarbeiter im Tanklager, diese hatten darauf also keinen direkten Einfluss.

Tanklagerbrand in Buncefield bei London am 11. Dezember 2005
(Eigentümer: Total 60%, Texaco 40%)

  

WARUM ist es passiert? - Unsichere Zustände und Handlungen


  1. Der Tank 912 wurde überfüllt, weil
  1. Die Überfüllung wurde nicht rechtzeitig vor Überlauf gestoppt, weil
  1. Die austretende Flüssigkeit und das sich bildende Gas wurden (trotz Überwachungskameras, von denen das Geschehen und Gaswolken ab ca. 05:38 h dokumentiert wurden) nicht frühzeitig bemerkt, weil
  1. Es kam zu einer Explosion und Feuer, weil
  1. Das Feuer konnte nicht schneller gelöscht werden, weil
  1. Es kam zu erheblichen Umweltbelastungen, weil



Lernen aus Erfahrungen!

Im Folgenden werden zu den ORANGE hinterlegten Stichworten und Themen aus Sicht von ExpertenNetzwerk Chemikalien-Anlagen-Arbeit Sicherheit wichtige Fragen und Schlussfolgerungen stichwortartig dargestellt.

Für weitergehende Fragen, Informationen, Ausarbeitungen oder Beratungen kontaktieren Sie uns bitte direkt.


Literaturhinweise (nur Beispiele)

1.
HSE Gov UK, Buncefield Investigation Home Page: www.buncefieldinvestigation.gov.uk/index.htm   
2.
HSE Gov UK, COMAH, Buncefield-Why did it happen, 2011:
www.hse.gov.uk/comah/buncefield/buncefield-report.pdf
3.
Wikipedia, Buncefield Fire: www.en.wikipedia.org/wiki/Buncefield_fire
4.
ABS Group, Buncefield Revisited: Lessons Learned, Progress Made, Video ca 55 Minuten,
www.absconsulting.com/webinars/buncefield-revisited-webinar.cfm?_escaped_fragment_=0
5.
BBC UK, `How the buncefield fire happened’, www.bbc.co.uk/news/uk-10266706
6.
KAS 13 Abschlussbericht, “Bewertung des Tanklagerbrandes von Buncefield/GB vom 11.12.2005 und daraus für deutsche Großtanklager für Ottokraftstoffe abgeleitete Empfehlungen”, 11/2009:
www.kas-bmu.de/publikationen/kas/KAS_13.pdf
7.
J. Herrmann, A. Ruddat, C. Schwiederowski, Management of Safety in the Petrochemical and Oil Industry, in:  U. Hauptmanns (Ed.):  Plant and Process Safety 8,  Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry, 8th ed., Wiley-VCH, Weinheim 2012: DOI: 10.1002/14356007.q20_q07
www.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14356007.q20_q07/abstract
8.


Process Safety
- Lessons Learnt

Anlagensicherheit
- Lernen aus Erfahrungen

Chemik alien

Stoffe

Arbeit

Mensch en

Anlag en

Technik

Organis ation

Strategi en

Ziele

ExpertenNetzwerk  Chemikalien-Anlagen-Arbeit  Sicherheit

Stoffe  -  Technik  -  Organisation

Prof. Ursula Stephan  -  Prof. Ulrich Hauptmanns  -  Dr. Jürgen Herrmann


Lernen aus Erfahrungen!


  1. Allgemein

Das Sicherheitssystem von Tanklagern (oder anderen Prozessanlagen) beruht stets auf mehreren, voneinander unabhängigen technischen und organisatorischen Komponenten (dem Gesamt-Sicherheitskonzept bzw. -System), das z.B. im Sicherheitsbericht dargelegt wird.

Zu einem solchen Gesamtkonzept gehört z.B. auch, dass das Personal von Tanklagern die Risiken bei Befüllvorgängen kennt. Es muss mit möglichen Störungen vertraut sein und rasch Gegenmaßnahmen einleiten können.

  1. Information und Kommunikation / Befüllung / Input-/Output-Bilanz

Wenn bei der Befüllung eines Tankes unterschiedliche Organisationen beteiligt sind, dann sollten feste Kommunikationswege und -vorgehensweisen (Mitteilung über Start, Stop, Menge, Mengeänderungen, Störungen, usw.) vor dem Füllvorgang im Rahmen eines Tanklagermanagements festgelegt und dokumentiert sein.

Im Rahmen des Tanklagermanagements sollte (auch entsprechend der Vorgaben des § 19 k WHG ) vor jeder Befüllung die zulässige und maximal mögliche Füllmenge eines Tankes festgestellt werden.
Einfache Input-/Output-Bilanzrechnungen sollten online durchgeführt werden und würden dann auch bei mehreren Einspeisungen und gleichzeiten Ausspeisungen jederzeit eine rechnerische Angabe zum Füllstand ermöglichen.
Bei der Befüllung aus TKW, Eisenbahnkesselwagen und Binnenschiffen mit geringerem Volumen als der aufnehmende Tank kann bereits durch die Disposition der Lieferungen die Gefahr einer Überfüllung minimiert werden.

  1. Füllstandsanzeigen  und Überfüllsicherungen

Tanke sind gemäß dem geltenden Regelwerk gegen eine Überfüllung mit Füllstandsanzeige und Überfüllsicherung ausgerüstet.

Die Sicherung gegen Überfüllung muss sicherheitstechnisch hochverfügbar erfolgen. Dies kann erreicht werden durch:

  1. Brücken von sicherheitstechnischen und -relevanten Schaltungen
    Wartungs-, Inspektions-, Instandsetzungs- und Reinigungsarbeiten an sicherheitstechnischen Einrichtungen sollten so vorgenommen und abgeschlossen werden  (z. B. durch Logbuch–Eintrag, „tag-in/tag-out“ – Verfahren, Meldeketten usw.), dass hierdurch keine zusätzlichen Gefahren entstehen. Nach Abschluss der Arbeiten muss die Betriebsbereitschaft der sicherheitstechnischen Einrichtungen gewährleistet sein (z. B. durch organisatorische Maßnahmen oder Prozessleittechnik).
  2. Leckageerkennung und -überwachung

Im Rahmen eines Gesamt-Sicherheitskonzeptes sollte die zusätzliche Ausrüstung von Tanken, Tankfelder oder anderen Auffangräumen mit Leckageüberwachungseinrichtungen, die einen Produktaustritt zeitnah detektieren und zumindest alarmieren, geprüft werden.

  1. Stationäre/nicht-stationäre Löschmittel

Oft wird diskutiert, ob stationäre  (insbesondere automatische) den mobilen Löschmitteln, -einrich-tungen und -kräften überlegen sind und vorzuziehen seien.
Buncefield hat gezeigt, dass dem nicht so ist. Mobile Löschmittel, -einrichtungen und -kräfte sollten auf jeden Fall vorhanden sein (siehe auch nachfolgenden Punkt 7), und sie sollten in einem Gesamtkonzept, wo sinnvoll, durch stationäre Einrichtungen (z.B. Tankberieselungen) ergänzt werden.

  1. Mittel, Maßnahmen und Organisation zur Brandbekämpfung

Die Möglichkeit von Explosionen und Folgeeffekten, d.h. das in kurzer Folge auftretende Inbrandgeraten und gleichzeitige Brennen mehrerer Tanks mit entsprechenden Auswirkungen auf benachbarte Gewerbe- oder Wohnbebauung, sowie ein eventuelles Versagen der Auffangraumabdichtung durch Brandeinwirkung wird bei einem Sicherheitskonzept in der Regel nicht unterstellt. Für größere Standorte ist dies in der Regel kein  Problem, da Notfälle mit Werksfeuerwehr abgedeckt werden können.

Bei stand-alone Tanklagern oder kleineren Standorten, die keine Werkfeuerwehr haben, sollten Regelungen mit externen Kräften (Netzwerke der Gefahrenabwehr), z.B. im Rahmen der externen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne abgesprochen und dokumentiert werden.

In Deutschland gibt es über die TUIS Organisation beim VCI ggf. die Möglichkeit Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Dies sollte ebenfalls z.B. im Rahmen der Alarm- und Gefahrenabwehrplanung untersucht und dokumentiert werden.

   LINK zu TUS beim VCI     



Die oben dargestellten Punkte und Lessons Learned sind sorgfältig recherchiert, Fehler können aber nicht völlig ausgeschlossen werden.

Insbesondere sind die dargestellten Punkte und Lessons Learned und etwaige Empfehlungen nicht unbedingt und unmittelbar auf andere Fälle und Organisationen übertragbar. Sie und ihre Anwendung müssen vielmehr auf Grund individueller Umstände beurteilt und bewertet werden.

Auf den Haftungsauschluss wird ausdrücklich verwiesen.

Für eine eigene Bewertung des Buncefield Fire 2005 Ereignis wird dringend empfohlen, die unten angegebenen Literaturhinweise und Quellen und weitere zu sichten und auszuwerten.


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In den folgenden, GELB unterlegten Textfeldern werden Beiträge von Experten veröffentlicht, die einen Beitrag zu den Themen von ExpertenNetzwerk Chemikalien-Anlagen-Arbeit Sicherheit und damit zu Verbesserungen auf den verschieden, auf dieser Website behandelten Fachgebieten leisten wollen.
Auf den Haftungsauschluss wird ausdrücklich verwiesen.

Beitrag aus Sicht eines Brandingenieurs aus der Industrie

Tanklagerbrand Buncefield
Welche Schutzmaßnahmen gibt es in deutschen Raffinerien?

Am Sonntag, den 11. Dezember 2005 ereignete sich in Buncefield, Großbritannien, infolge der Überfüllung eines Lagertanks ein Tanklagerbrand, bei dem  ca. 20 Flachbodentanks in Brand gerieten. Während der Befüllung des Lagertanks über eine Pipeline kam es zu einer Freisetzung von ca. 300 t unverbleitem Benzin. Das sich dabei bildende Benzin-Luft-Gemisch explodierte und führte im Tanklager selbst und auch außerhalb des Lagers im benachbarten Gewerbegebiet zu erheblichen Schäden. Durch die Explosion und den Brand wurden 43 Menschen verletzt, ca. 2000 Personen wurden vorsorglich evakuiert.
Maßgeblich für die Stärke der Explosion und damit für die Schwere der Auswirkungen war neben den Wetterbedingungen auch die Art des Austritts. Das Benzin trat über Öffnungen im Tankdach aus. Beim anschließenden Herabströmen kam es durch Windverbände am Tankmantel und Leitbleche im Tankdachbereich, die u. a. zur besseren Verteilung von Kühlwasser im Brandfall vorgesehen waren, zur Vernebelung/Verdunstung und dadurch zu einem „optimal“ verteilten Gemisch von Benzin und Luft.
Durch die Explosionen wurden nicht nur weitere Tanks, sondern auch die stationären Löscheinrichtungen zerstört. Die Brände konnten erst durch massiven Einsatz mobiler Hochleistungslöscheinrichtungen beherrscht werden, die größtenteils von anderen Standorten herbeigeschafft werden mussten.

Wie sieht die Situation in Deutschland für ein solches Szenario aus?
In den Raffinerien und anderen Unternehmen sind die Vorgaben aus den gesetzlichen Regelwerken, wonach die Wasser- und Schaummittelversorgung zur Brandbekämpfung für das größte Einzelereignis (größter Tank bzw. größter Tankauffangraum) auszulegen sind, eingehalten.
Die deutschen Raffinerien gründeten bereits im Jahr 1990 einen Arbeitskreis der Raffinerie-Werkfeuerwehrleiter. Mitte der 90iger Jahre war ein Schwerpunkt dieses Arbeitskreises die Beherrschung von Tankbränden großen Ausmasse insbesondere an Schwimmdachtanks, sowie die gegenseitige Unterstützung bei derartigen Ereignissen.
In Deutschland setzte man bis zu dieser Zeit auf die Wirksamkeit der vielfach an Tanks installierten stationären Löschanlagen. Die damalige DIN 14493 aus dem Jahr 1977 sah allerdings für Schwimmdachtanks lediglich eine stationäre Löschanlage für die Ringspaltdichtung vor, d. h. ein in Vollbrand stehender Schwimmdachtank konnte weder mit stationären noch mit mobilen Löscheinrichtungen beherrscht werden.
Aus diesem Grund wurden in vielen Raffinerien, in einigen größeren Tanklagern, sowie in Chemiewerken in den Folgejahren spezielle mobile Hochleistungslöscheinrichtungen, wie Pumpen, Schlauchverlegeeinheiten und Schaum-Wasser-Werfer angeschafft, um im Falle eines Vollbrandes an einem Schwimmdachtank einen erfolgversprechenden Löschangriff starten zu können.
Einige Wehrleiter nahmen gezielt an theoretischen und praktischen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen u. a. in den USA zur Tankbrandbekämpfung mit mobilem Equipment teil und in den regelmäßigen Erfahrungsaustauschen der Raffinerie- Wehrleiter wurde gezielt an der Weiterentwicklung der Tankbrandbekämpfungstaktik gearbeitet.
Im Jahr 1996 wurde von den Raffinerie-Wehrleitern ein auf Gegenseitigkeit ausgelegter „Unterstützungsplan für Großbrände“ ins Leben gerufen, in dem neben den deutschen Raffinerie-Werkfeuerwehren auch die Werkfeuerwehren eines Chemiebetriebes und eines großen Tanklagers vertreten sind.
Der „Unterstützungsplan für Großbrände“ setzte dabei einen weiteren Sicherheitsbaustein „on Top“. Er basiert im Wesentlichen auf der Lieferung mobiler Brandbekämpfungseinrichtungen wie Großpumpen, Schlauchverlegeeinheiten, Großwerfern und Schaummittelmengen bei Großbränden durch vom Schadensereignis Nicht-Betroffene.
Im Jahr 2008 starteten die Mitglieder des Unterstützungsplanes die Initiative um ihren „Unterstützungsplan für Großbrände“ auf ein breiteres, deutschlandweites Fundament zu setzen.
Die Basis dafür bildet das Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistung-Systems (TUIS) der chemischen Industrie beim VCI, das seit vielen Jahren deutschlandweit in allen Rettungsleitstellen und Werkfeuerwehren bekannt ist.
In die TUIS-Datenbank wurde der Unterstützungsplan für Großbrände integriert, so dass im Falle eines Großbrandes von der am Schadensort befindlichen Feuerwehreinsatzleitung Hilfe über die TUIS-Notrufzentralen angefordert werden kann.
Auch die  Unterstützung bei Großbränden funktioniert wie die bisherige TUIS-Hilfeleistung in drei Stufen:

1.
Telefonische Beratung
2.
Beratung am Schadensort
3.
Technische Unterstützung vor Ort




Bilder zu Buncefield  2005 finden Sie z. B. bei


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